13. November 2009

Liebe Worte

Die Kummerbuben haben ja den Anerkennungspreis der Musikkommission des Kantons Bern gewonnen. Die Laudatio von Peter Kraut, Präsident dieser Kommission war ziemlich unterhaltsam und ziemlich schmeichelnd für uns - daher wollen wir sie euch nicht vorenthalten:

"die kummerbuben machen freude, obschon sie von verbrechen und krieg, enttäuschter liebe, von vagabunden und säufern singen. sie interpretieren diese düsteren themen aber so erfrischend, dass man beim ersten hören erst einmal gerührt ist. beim zweiten hören hört man dann richtig hin und merkt, dass hier eine moderne musikantentruppe am werk ist, die ein klares konzept hat und es live auch souverän umsetzt. beim zuschauen sieht man dann: die sechs musiker haben nicht nur eine liebe für rare lieder, sondern auch ein gutes auge fürs inszenierte detail. bildmaterial, CD-booklets, bühnenoutfits und videos sind sorgfältig gestaltet. mit axt und sense, in zylinder und bauernhemd brettert die band durch ihr repertoire, dass man meinen könnte, man höre die finstere antithese zu francine jordi.

die kummerbuben entdecken verschollenes liedgut, beleben vergessene gassenhauer, erzählen im breitesten berndeutsch und bernischen französisch von fernen zeiten und heimischen gärten. sie erfinden süffige melodien und freche texte, vertrauen auf rumpelnde rockbeats und erinnern daran, dass volkslieder einmal populär, pop und musikantenstadl aber noch weit weg waren. die kummerbuben sind aber keine nostalgische retroband. sie haben bloss bemerkt, dass volkslieder nicht nur zu stumpenrauch und samschtigsjass passen, sondern auch in die reithalle und ins zürcher kaufleuten. sie veranstalten dort ihre eigene patchwork-musigstubete, spielen mit hartem schalk und würdiger respektlosigkeit, und sie sind unverschämt charmant. das macht sie beliebt, und wohl kaum nur bei der musikkommission. ich kann mir durchaus vorstellen, dass auch ein bergbauer - nennen wir ihn kurt brogli...... ich stelle mir also vor, wie dieser brogli kurt mit seinem roten subaru auf die grüne alp fährt, vor seinem braunen chalet parkiert, mit seiner weissen satellitenschüssel farbige fernsehbilder aus aller welt empfängt und spät abends echt freude haben könnte an den schwarzen heimatliedern der sechs buben.

aber lassen wir das spekulieren und erinnern wir uns daran, dass es vor einiger zeit als uncool galt, sich mit einheimischer musik zu beschäftigen. das hat sich geändert dank künstlerinnen und künstlern, die schon vor jahren die geographische enge der schweiz nicht mit einer musikalischen enge verwechselten. der hackbrettspieler töbi tobler und sein appenzeller space schöttl etwa spielten anfang der achtziger jahre auf dem gurten befreite volksmusik, als man sich dort noch im verspäteten klein-woodstock wähnte und man beim "braunen afghaner" noch nicht an die nächste terrorwelle dachte, sondern nur an den nächsten joint. auf töbi tobler folgten viele andere musikerinnen und musiker, dank derer wir unsere eigene musik anders hören lernten. und dann kamen die kummerbuben und setzten noch eins drauf, aber ohne systemkritik oder revolutionäre absichten. sie entrümpeln bloss den helvetischen musikkeller und beissen vergnügt in den staub, den sie dabei aufwirbeln. dafür sollten ihnen nicht nur die traditionshüter dankbar sein.

"i dr aare" heisst ein lied auf ihrer letzten platte - darin wird aber nicht der schöne grüne fluss besungen, an dessen ufer "gynäkologen mit ihren doggen joggen" (um einen bekannten berner musiker zu zitieren). die aare ist in diesem lied vielmehr eingebettet in eine schmachtend süsse melodie. sie ist aber auch - und das ist typisch für die kummerbuben - ort der sehnsucht, fluss des schmerzes und letztlich des sängers nasses grab. ich hoffe fest, dass diese vision poesie bleibt und will nicht länger interpretieren. wie heisst es doch so wunderbar im selben lied: "wär aafat mit erkläre, lügt scho bim luft hole". ich unterbreche also sofort meine weiteren erläuterungen zum thema und gratuliere simon jäggi, mario batkovic, daniel durrer, urs gilgen, higi bigler und tobi heim zum anerkennungspreis der musikkommission des kantons bern. "

peter kraut, nov '09