08. Dezember 2010
Wer eine Reise tut, der kann etwas erleben
Eine kleine Tournee nennt man im Slang der Musikmanager eine Rutsche. Wir haben dieses Wochenende mal wieder eine Rutsche durch Deutschland gemacht. Und rutschig wars tatsächlich. Dummerweise haben wir uns gerade für dieses Wochenende, das sich durch ein historisches Kälte- und Schneechaos ausgezeichnet hat, Destinationen ausgesucht, die sich an den Rändern Deutschlands befinden. Und man weiss es: Deutschland, weites Land. So führte uns der erste Tag nach Dannenberg im Wendland, den Ort also, der durch die Proteste gegen den Castro-Transport bekannt geworden ist.
Zumindest hätten wir auf Dannenberg fahren sollen. Denn geschafft haben wir es nicht. Es begann eigentlich relativ problemlos und wir fingen schon an, einander Vorwürfe zu machen, dass wir so früh losgefahren sind. Aber dann plötzlich nach einer Raststätte in Hessen ein Stau. Und das blieb dann über 20 Kilometer so. In der Zeitung stand am nächsten Tag, dass sich der Verkehr auf dieser Autobahn über 40 Kilometer gestaut hat. Aber wir hätten es auch so wohl ins Wendland geschafft. Ein etwas grösseres Problem war, dass plötzlich mitten auf der Autobahn, es war schon dunkel geworden, das Licht ausging. Auf dem Pannenstreifen konnten wir bis zur nächsten Ausfahrt bummeln. Doch mitten in der Ausfahrt stellte dann der Motor noch ab. Wir standen an einem verdammt gefährlichen Ort, das Pannendreieck war nicht auffindbar und es war 15 Grad minus. Das sind die Momente im Leben, wo man sich fragt, weshalb der Mensch das Reisen so sehr mag.
Zum Glück kam ein ADAC-Typ, der uns abschleppte zum nächsten Autohof. Aber auch mit der neuen Batterie leuchteten die verdächtigen Lichter auf der Anzeige noch immer auf. Also: Den nächsten ADAC-Typen anrufen. Und warten. Der zweite ADAC-Typ meinte: Das Auto muss in die Garage, die Lichtmaschine ist kaputt. Und so machten wir Bekanntschaft mit etwas, was es in der Schweiz nicht gibt: Garagen, die 24 Stunden offen haben. Während unsere Karre inspiziert wurde, durften wir einen enorm bewegenden Fernsehfilm im Warteraum schauen, in dem es darum ging, dass einem Zirkus ein kleiner Tiger gestohlen wurde. Als sich die Reperatur als eine längere Angelegenheit heraustellte, wussten wir, diesen Gig müssen wir absagen. Und wir brauchen ein Hotel. Da wir ja schon vor gut einem Monat in Kassel spielten, haben wir schon ein günstiges Hotel gekannt. So wurde es ein einigermassen gemütlicher Abend, der relativ beschaulich endete – bis auf das Bier, das der Kellner dem Tobi über die Hosen schüttete, ja man muss schon fast sagen: das Bier, das der Kellner dem Tobi anwarf.
Am nächsten Tag war das Wetter ein besseres. Die Laune auch nicht getrübt. Bremerhaven noch vor dem Einbruch der Dunkelheit erreicht. Alles präsentierte sich blendend: Der Club in einem alten Pferdestall eine Freude, feine Brötchen zur Begrüssung, eine Runde Jassen vor dem Gig, ziemlich viel Publikum und ein guter Gig. Ein Abend also, der so gar nicht zu dieser Rutsche passen wollte. Daher dachte der Gott der Lastwagenfahrer wohl: So kommen mir die Gielen nicht davon. Sein Urteil war hart: Beim Versuch, den Wagen zwei Meter nach vorne zu stellen, musste Simon plötzlich feststellen, dass sich durch hohe Minustemperaturen Eis auf den Bremsbelägen bilden kann. Die Folge: Wenn man den Gang einlegt, rollte das Auto los – stoppt aber nicht. Das zehn Meter weiter vorne parkierte Auto rückt immer näher, man kann aber nichts machen. Bis man schlicht und einfach ins nächste Auto knallt. So geschehen. Und dann kann man sich darauf noch den Spott der Zusehenden anhören, die einem unter die Nase halten, dass man nicht wisse, wo die Bremse sei. Immerhin endete der Abend versöhnlich. Ein netter Maler, der sein Atelier über dem Club hat, lud uns ein. Er spendierte die Getränke, wir sangen Klassiker aus der Heimat. Liedtitel werden keine genannt.
Nun gut. Diese Geschichte endet hier fast. Eine Anekdote sei hier aber angefügt. Da der Wagen gemietet ist (normalerweise haben wir unseren eigenen dabei, wenn wir den eigenen dabei haben passiert auch nie was), musste wir dem Vermieter mal von unserem Pech anrufen. Der Samariterverein. Die nette Frau Fuchs nahm ab und meinte, mit Unfällen, das mache ihr Sohn immer, der Thomas. Thomas Fuchs, Samariterverein... ein Licht ging auf. Thommy F hats aber easy genommen. Etwa so wie hier.